rainer rosenberg

 

 

Hauptsache es rollt

 

Träumen von Goodwood

18.9.2022

 

 

Mein Freund A. hat mit seiner Lieblingsbeschäftigung Österreich „Ade“ gesagt. Wenn man mit Autos im Kreis fahren will, dann wäre es doch im Mutterland des Rennsports am besten, dachte er. Das passende Fahrzeug hatte er schon in Österreich („Histo-Cup“) und in Belgien „Spa“ ausprobiert, weil er einen berühmten Motorenbauer und den österreichischen Vertreter einer englischen Sportwagenmarke schon lange kennt, hat er beste Kontakte.

So wie meine Giulia, Ginetta oder Fulvia hat auch sein Rennwagen einen schönen Frauennamen: wie sangen doch die Kinks zu diesem Namen in einem Lied, das heute viel aktueller ist als damals, vor mehr als einem halben Jahrhundert?

Well, I'm not dumb but I can't understand
Why she walked like a woman but talked like a man
Girls will be boys and boys will be girls
It's a mixed up, muddled up, shook up world, except for …

ja, jetzt können ja schon viele mitsingen: LOLA, lololo LOLA

Viel weniger Menschen kennen heute aber dieses Lied: Whatever Lola wants Lola gets, es wurde von Gwen Verdon in dem Musical „Damn Yankeesgesungen und getanzt. Der Rennfahrer und Rennwagenkonstrukteur Eric Broadley war in seiner Jugend ganz begeistert davon. Deswegen ist „Lola“ der Name einer ganz berühmten Rennwagenmerke geworden. Lolas fuhren in der Formel Junior in der Formel 1 und 2 in Le Mans und in der CanAm Serie, John Surtees gewann mit Lola, Graham Hill sogar Indianapolis und Broadley war mit Lola zweitweise der größte Rennwagenhersteller.

 

So oft „Lola“

Unter diesem Namen wurden auch Fahrzeuge für die Klasse Sports 2000[1] gebaut, so ein Auto hat sich mein Freund A. vor einigen Jahren gekauft und nachdems er einmal an einem Rennen in England teilgenommen hatte, konnte er nicht mehr in Österreich fahren und ging mit seiner Lola nach England: die großen Startfelder, das freundschaftlich kompetente Team, das er gefunden hatte, die Fairness und Kontrolle beim Einhalten des technischen Reglements, das schien ihm alles auf angenehme Weise professionell, auch wenn es sich um Amateursport handelte.

 

Aber dann kamen Covid und Brexit, die Reisen auf die Insel wurden seltener, parallel dazu veränderte sich auch in der dortigen Szene die Stimmung. Im Jahr 2020 musste die glamouröseste Veranstaltung im historischen Motorsport – das Goodwood Revival – sogar abgesagt werden. Dies ist für britische Verhältnisse so als wären die Salzburger Festspiele abgesagt worden. Der Tod der Queen im heurigen Jahr manifestierte sich darin, dass viel schwarze Armbinden trugen, der Stimmung tat es keinerlei Abbruch. Einige Freund*innen pilgerten zum Ereignis des Jahres, andere Kolleg*innen fuhren Rennen in Assen in den Niederlanden oder im Salzburger Regen. Goodwood, Asse; Salzburg überall waren vergangenes Wochenende historische Rennwägen unterwegs.

 

Ich wollte eigentlich nur nach Salzburg, zum Jubiläumsrennen 25 Jahre Histo-Cup. Nach Goodwood habe ich es noch nie geschafft, ich kam nur einmal bis Silverstone. Und es war ein bleibendes Erlebnis. Ein ehemaliger Spa-Regenrennensieger verkaufte wegen Aufgabe des Sports einen Formel Ford 2000, er konnte mir eine Probefahrt in Silverstone ermöglichen.

 

Immerhin Speck, Bohnen, und Spiegelei

Ich war aus der Ferne Wiens vom Auto und von der Möglichkeit begeistert, kam aber an Ort und Stelle nicht sehr leicht in das Cockpit und fast überhaupt nicht heraus. Einige vorsichtige Runden konnte ich aber doch drehen. Vorsichtig – also vergleichsweise langsam – auf einer englischen Rennstrecke mit zahlreichen testenden Einheimischen zu fahren, kann aber durchaus ein Problem sein. Wer kümmert sich schon gern um fahrende Schikanen, die noch dazu nicht als solche gekennzeichnet sind. Es ging rund am Rundkurs, man bereitete sich auf ein Saison-entscheidendes Rennen vor und wollte die Grenzen ausloten, in kürzester Zeit kam mehrmals die rote Fahne und ich, der in den Rückspiegeln kaum andere Autos sehen konnte, war mittendrin. Also musste ich für alle Fälle Platz lassen. Das Auto gefiel mir ausgezeichnet, bloß passte es nicht zum potenziellen Käufer. Traurig gingen alle in die Kantine und trösteten sich mit Frühstück, mit Speck, Bohnen, Würstel und Spiegelei.

Ein Bild, das Himmel, draußen, Transport, Person enthält.

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Der Wagen, ein Royale, ging dann bald an einen anderen Kunden, alle Beteiligten waren am Ende doch zufrieden, und ich fuhr also mit meinem Van Diemen weiter, um dann bald einen wirklich alten Formel Ford zu finden, den Alexis aus Kanada, ich habe darüber berichtet.

 

Alex in orange, rot und dunkelblau

Beim Goodwood Revival am vergangenen Wochenende stand jedenfalls ein Alexis Formel Junior (in orange) in der ersten Startreihe.

 

Formel Juniors sind älter als Formel Ford, empfindlicher und viel teurer, viele haben Ford Motoren, es gibt auch BMC oder Fiat getriebene.

Mein Formel Ford Alexis trägt die Farben des Reg Parnell Teams, das bis in die Formel 1 kam – mit Lotus (Mike Hailwood als Fahrer), Lola (John Surtees als Renn-Sieger), Cooper (mit Roy Salvadori). Wer genau schaut sieht so ein so lackiertes Auto auf dem Bild in Reihe 6 (wenn ich mich nicht verzählt habe).

 

Man könnte jetzt leicht sagen, woran man dieses Auto von meinem unterscheiden könnte: ich fahre so gut wie nie mit Videokameras, ich baue mir meine Träume aus den gemerkten Realitäten, nicht aus dem Archiv aus Festplatte. Oder aber von Fotos, die jemand anderer macht. Dann kann ich schon Startnummer 87 im Geiste über meine 59 kleben - man muss sich ja dem Veranstalter beugen, wenn man schon eingeladen wird nach Goodwood. Man kann den Alexis im Geiste zum Formel Junior umbauen: ein paar Jahre älter machen, die Scheibenbremsen durch Trommelbremsen ersetzen, einen anderen Motor einbauen – die beiden sehen einander ja ohnedies schon zum Verwechseln ähnlich. Für die technische Abnahme würde das nie reichen, für das Träumen genügt es.

Ein Bild, das draußen enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

 

Von einem Formel 1 in Reg Parnell Farben sollte man vermeiden, dann wäre wohl schon der Traum ein teures Vergnügen. Es bleibt aber das Träumen von Goodwood, vom Glamour, von tollen Autos. Bescheiden kann man froh sein, wenn man sich auf 25 Jahre Histo-Cup in Salzburg vorbereiten kann. Aber dann wird alles sehr real: dem Rücken war die Kiste mit dem Werkzeug zu schwer, man bleibt selbst mit Defekt liegen, die Reise zum Rennen entfällt. Also bleibt nur Salzburg und Goodwood wechselweise von zu Hause am Livestream anzusehen, man sieht die Freunde in Österreich mit dem Regen kämpfen und die Stars in England Rad an Rad fahren. Aber auch der E-Type des brillant fahrenden Jenson Button fällt in Goodwood nach dem Fahrerwechsel aus, genauso wie der Lotus Formel Ford des die Klasse dominierenden Peter Hinderer beim Histo-Cup in Salzburg - einmal gewinnt er und einmal will die Schwungscheibe nicht mehr. Und der Regen, erzählt er, war anstrengend, die Sicht sehr zweifelhaft. Jenson Button, der Formel 1 Weltmeister von 2009 hatte in Goodwood seinen Spaß, sein Partner Harrison Newey konnte nur ganz kurz fahren, die Kraftübertragung machte nicht mehr mit.

Vielleicht war es für mich diesmal ohnedies besser im Nebel der Träume nach England zu reisen und in meiner Fantasie Runden zu drehen als den Kollegen durch den Sprühnebel der unverkleideten Räder zu folgen.

 

Nirgends genug Platz für alles

23.8.2022



[1] Das sind Rennsportwagen, deren Ford Motoren sehr seriennah bleiben müssen, das schafft vergleichbare Bedingungen für die Fahrer und soll wie bei ähnlichen Klassen wie früher Formel Junior oder später Formel Ford die Fahrzeugunterschiede und Kosten in Grenzen halten.