Nirgends
genug Platz für alles
23.8.2022
Unlängst hatte ich Angst, der Kater würde
sich vor dem Auto in der Hauseinfahrt festkleben.
Wer hätte dann die Superkleber
fixierten Pfoten möglichst schonend von den Pflastersteinen gelöst, hätte dem
protestierenden Wesen Futter gebracht? Die Abfahrt hätte trotzdem
stattgefunden. Mit Verspätung zwar, aber auch die Unterwerfung hat Grenzen. Ich
schaue fast immer vor dem Wegfahren, ob Sigi unter dem Auto liegt, meistens ist
er aber im Dorf unterwegs, seinem Wohnort und dort, wo er seine Besuche macht.
Warum er sich für Autos interessiert,
ist unklar, allerdings kann man davon ausgehen, dass er sich für alles
interessiert, und Autos sind für ihn Träger von Information, sie sagen ihm zum
Beispiel, wenn die Wiener*innen kommen und Futter und Streicheleinheiten
mitbringen. Auch ein ungewohnter Anhänger kann den Kater interessieren,
allerdings besteht immer Überroll-Gefahr. Deshalb: man muss Sigi sehen, wenn
man ins Grundstück einbiegt, oder sicher sein, dass er nicht in der Nähe ist.
Das Rollen der Anhänger ist eine
eigene Geschichte, einen gibt’s für den Rennwagen, den anderen für alles
Mögliche: Kisten, Möbel, Grünschnitt, Äste. Zugfahrzeug ist immer dasselbe:
Alfa 159 – gehörte zuvor einem Verlagschef, der wechselte zur deutschen
Auto-Konkurrenz. Das war vor etwa 10 Jahren, der Kombi ist schon fast dreimal
so weit gefahren wie beim Erstbesitzer. Von Rennen zu Rennen, von Urlaub zu
Urlaub, immer weite Strecken auch im Alltag.
Hier lassen sich die Kisten fürs
Rennen verstauen, ein paar Ersatzteile, etwas Werkzeug, Ersatzräder (letzthin
wurde wegen forcierter Fahrweise eines gebraucht). Man kann nicht nur drei
Personen transportieren, sondern auch ein ziemlich altes Fahrrad vom
italienischen Flohmarkt nach Wien bringen (Dreigang
Außenschaltung, Campagnolo-Werfer), ein bisschen
repariert, der Neffe pflegt es weiter und fährt auch damit. Es ist zwar
nirgends genug Platz für alles, aber einiges lässt sich schon
unterbringen im Kombi, vor allem wenn man ihn dann noch mit einem Anhänger
vergrößert. Aber bitte: nie einen „Kindersarg“ aufs Dach schnallen oder einen
Wohnwagen nehmen – schadet Luftwiderstandswerten, Benzinverbrauch und Ästhetik.
Ich weiß, dass dies dünnes Eis ist, hier werden ja auch Geschmacks- und Fragen
nach Vorlieben behandelt, über die zu streiten nicht nur nicht sinnvoll,
sondern auch unfair und gegen individuelle Freiheiten gerichtet ist.
Der Lärm der Anderen
Unlängst hat es am Abend gesummt
(tiefe Frequenz, wahrscheinlich Wärmepumpen als Drohung für die Zukunft), die
Grillen waren laut, ein Einsatzfahrzeug hat vorbeigehupt. Was davon ist als
Störung zu qualifizieren?
Der schreiende Hahn um vier Uhr in
der Früh, die scheppernden Kirchenglocken um sechs, der Dauerbrumm der
ökologisch wertvollen neuen Heiz- und Kühltechnik, das Zirpen der Grillen, die
permanent tatü-ende Exekutive – wer findet was
erträglich, positiv, unaushaltbar oder gesundheitsschädlich?
Ich will nicht zur Unzeit geweckt
werden, fürchte plötzlich Tinnitus zu haben, aber freue mich über das Zirpen
(Natur in der Stadt…). Andre mögen sich an neuer Technologie und der dadurch zu
erhoffenden Klimarettung erfreuen, an der Sicherheit, die von den Uniformen der
Polizei ausgestrahlt wird, den Ruf zum Gebet – nur beim Hubschrauber im
Tiefflug am Weg zum AKH werden hoffentlich alle von einem Gefühlt geeint:
Mitleid mit den Kranken, begleitet von den besten Genesungswünschen.
Nahversorgung in Kiosk und auf Schiene
Habe ich eigentlich von meinem
Bahnhütten Drama berichtet, in Purkersdorf?
Kurz zusammengefasst: mehr als 20
Jahre lang war ich stolzer Besitzer eines ehemaligen Lebensmittelkiosks bei der
Bahnstation in Unter-Purkersdorf. Dem Ort, an dem die Dampflokomotiven für die
Westbahn aufgeheizt wurden, sich die Westbahn von vier Geleisen auf zwei
reduzierte, der Pendler von Hütteldorf (zwei Waggons vor zwei hinter der
Lokomotive) seine Endstation hatte, ohne umdrehen zu müssen.
Ich hatte die ehemalige Greißlerei
auf Bahngrund geschenkt bekommen und verwendete sie als Lager für alles, was
ich nicht unmittelbar brauchte. Reifen, Fahrräder, Tonbänder, Möbel, Werkzeug –
bis die Bahn den Pachtvertrag für den Grund, auf dem der Kiosk stand, kündigte,
und mich aufforderte, das Superädifikat abzureißen. Ich musste also ausmisten
und übersiedeln. (Dazu diente auch einer der oben angeführten Anhänger…). Aber
ich wollte den historischen Bau retten, nach langen Diskussionen, dem
Abgleichen von Rechtsauffassungen und dem Abwägen von Ideen für kulturelle
Nutzung lässt sich feststellen: das Gebäude steht noch, über weitere Nutzung
wurde noch nicht entschieden, ich bin nicht mehr Mieter und hoffe, dass sich
eine der Ideen für die Erhaltung eines geschichtsträchtigen Ortes durchsetzen
lässt, schließlich ist ja auch noch nicht entschieden, was mit dem Bahnhof
Unter-Purkersdorf in Zukunft geschehen soll.
Muss Bewertung spalten?
Vor ein paar Wochen durfte ich eine
Diskussion, die von der Kulturvereinigung „Die Bahnhofsfrauen“ initiiert wurde,
leiten, die sich um Purkersdorf und die Bahn drehte. Ein
dokumentarischer Mitschnitt der Diskussion findet sich auf meiner Homepage.
Auch hier also eine Frage der Bewertung
– ist Erinnerung wichtiger oder eine neue Aufgeräumtheit, rechte Winkel, gerade
Straßen. In der Gasse, in der die Hütte steht, wurden jedenfalls Barrieren für
Autos und Lastwägen eingerichtet, um Fußgänger*innen und Radfahrer*innen,
Kinder und Erwachsene zu schützen. Da wurden gerade Linien wieder kurvig - wie
in vielen Orten, besonders Straßendörfern bei der Ortseinfahrt Verkehrsinseln
errichtet wurden, die den Verkehr bremsen und damit sicherer machen sollen.
Selbst auf Rennstrecken werden gefährlich schnell erscheinende Gerade durch
ähnliche „Schikanen“ entschärft.
Womit wir wieder auf zweierlei Weise
bei historischen Autorennen wären: angesichts dieses Fotos schrieb ein befreundeter
Künstler „Magritte Racing Team“ als Kommentar und das Surreale daran mag ja
auch die Bildsprache mit Bäumen, Mond, beleuchtetem Haus, einer Laufenden und
Rennwagen sein. Aber das die Realitäten Leugnende könnte auch diese Tätigkeit
an sich sein: um die Wette fahren. (Vgl. Hauptsache es rollt, 13.8.2018).
Beschwichtigend darf ich sagen: ich
verbrauche an einem Rennwochenende zusätzlich zur Anreise etwa soviel Benzin, wie in den Tank eines Mittelklassewagens
hineingeht, die Anreise lässt sich mit der Fahrt zu irgendeinem anderen
Wochenendtrip vergleichen, es bleibt vor allem die Symbolik nicht
verschleierten Benzin- bzw. Energieverbrauchs.
Vielleicht ist es ja gar nicht
Zuneigung, dass der Kater überlegt hat, mit festgeklebten Pfoten gegen das
Wegfahren zu protestieren und es zu verhindern, vielleicht wollte er ja nur die
Welt retten.
Und
plötzlich taucht eine Schrift auf…