rainer rosenberg

 

 

 

Hauptsache es rollt

 

 

Ein Bild, das Auto, Spiegel, Fahrzeugspiegel, Weiße Ware enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Foto: Peter Tomschi

 

2.2.22

Mit den 12 Jahren muss es etwas Seltsames auf sich haben: 12 Jahre lang hatte ich meinen Giulietta Spyder, fast 12 Jahre meine Giulia Sprint GT Veloce, und jetzt sind es bei Ginetta wieder 12 Jahre geworden. Diesmal war das Ende absolut gegen meinen Willen, ich kam gerade von der Pickerl Überprüfung, lediglich das Handbremsseil musste getauscht werden, und fuhr zur Garage gegenüber meinem ehemaligen Büro in dem Teil des Wiener ORF Funkhauses, der verkauft wurde, um die Bedürfnisse eines Luxus-Segmentes des Wiener Wohnungsmarktes zu befriedigen. Dass dadurch genau dort eine Engstelle entstand, sollte sich noch als seltsame Pointe herausstellen.

Oft hatte ich an meinem Bürofenster Auseinandersetzungen zwischen Rad- und Autofahrern mitbekommen, Sturzgeräusche gehört, weil der Radweg in der Argentinierstraße so manche Gefahr birgt: es geht bergab, daneben parken Autos, Garagenzufahrten und Hauseinfahrten kreuzen ihn, Fußgänger:innen wechseln oft die Straßenseite. Ich selbst habe einmal einen Radfahrer umgerannt, weil ich ohne viel Schauen abends zwischen parkenden Autos durchgelaufen bin. Mein damaliges Angebot, das Fahrrad zu reparieren, wurde nicht angenommen, mir blieb bloß die peinliche Erinnerung. Die Radio-Kolleg:innen übersiedeln demnächst in die Vorstadt, den Arbeitsplatz habe ich nicht mehr, der Garagenplatz blieb mir – und auch ein großes Verständnis für Fahrrad Fahrende.

Am 17. Dezember also blinkte ich nach rechts, blieb vor dem Fahrradweg stehen, um ja genau schauen zu können.

Allerdings kam dann mit – wie ich glaube – geringem Tempo ein kleiner SUV die Argentinierstraße heruntergefahren, und fuhr, offenbar irritiert von einem anderen Verkehrsteilnehmer und der Straßenenge, zu weit rechts.

Ein Bild, das Licht, schließen enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Das rechte Hinterrad des SUV fräste sich gewissermaßen in Ginettas linkes hinteres Eck, die Heckscheibe flog meterweit durch die Gegend, die Karosserie knackte und riss an mehreren Stellen, ein Fenster brach, ich schlug mit dem Kopf leicht an das Dach an.

 

Traurig, nicht verärgert

Dem SUV-Fahrer war der Zusammenstoss super peinlich. „Ich bin nicht verärgert, ich bin traurig“ war mein Kommentar, nachdem ich die herumliegenden Trümmer aufgelesen hatte. Und ich wusste da noch nicht, wie berechtigt diese Traurigkeit war.

Ginettas Stammwerkstätte seit 12 Jahren konnte keine Kostenvorhersagen machen, ich wechselte zur Werkstätte eines Ginetta (Modell G15) Besitzers. Inzwischen konstatierte der Versicherungsexperte „Totalschaden“, und so schnell konnte ich gar nicht schauen, wurde mein seltener englischer Sportwagen auf der Wrackbörse angeboten – die Heldin der Rennstrecke war beim Warten an einem Fahrradweg zerstört worden.

Ein Bild, das Auto, Straße, draußen, Gras enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Foto: Peter Tomschi

 

Und weil dieses Ende so überhaupt nicht ins Ginetta-Drehbuch passt, hoffte ich zunächst auf Heilung.

Die Schäden, von denen ich weiß, will ich nicht aufzählen, Kostenschätzungen bleiben schwierig, für einen, der keine Werkstätte zur Verfügung hat überhaupt.

Ich nahm das Angebot der Versicherung an, und überlasse dem G 15 Besitzer den Neuanfang. Nach 12 Jahren bleiben Erinnerungen, an unfallfreies Fahren, meine Lieblingsstartnummer 59, auch wenn sie nicht bei allen Veranstaltungen frei war, den einen oder anderen Werkstättenaufenthalt und die Leistung der vier Walklett Brüder, eine Automanufaktur auf die Beine gestellt zu haben, in der heute noch Söhne mitarbeiten. Sie schufen ein Auto, das viele Passant:innen zum Lächeln bringt – mit Rohrrahmen, einer Fiberglass Karosserie, möglichst wenig Gewicht und einem ganz tollen Design. Lotus ist mit diesem Konzept berühmt geworden und auch die Marke Ginetta gibt es noch immer, auch wenn sich die Besitzverhältnisse mehrfach geändert haben. Jetzt werden ganz moderne Autos gebaut, die sogar am 24h Stunden Rennen von Le Mans teilnehmen.

 

Fast zu schnell durch die Parabolica

Ich bin immerhin in Monza im Kreis gefahren und einmal habe ich in der Parabolica später gebremst als eine Cobra, die mich auf der langen Geraden davor überholt hatte. Dann brauchte ich allerdings ein bisschen mehr Straße, Cobra war sofort wieder vorne, aber in der Erinnerung können kurze Augenblicke angenehm lange dauern…

Immerhin wird „meine“ Ginetta in Zukunft einen Garagenplatz neben der kleinen Schwester haben und der Neubesitzer hat hoffentlich viel Freude. Ob er aber erleben wird, wie die Ginetta am Österreich-Ring Lotus, Ferrari und Porsche überholt, ob diese Konstellation jemals wieder eintritt – das bleibt zu bezweifeln.

Ein Bild, das Straße, Auto, draußen, Gras enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Foto: Peter Tomschi

 

Ginetta wurde am 2.2.22 abgemeldet, im Augenblick gehört die Nummerntafel nur mehr dem Kombi, der mein Rennauto zu den Strecken schleppt, meine Lieblingsvariante „auf Achse“ zu den Veranstaltungen zu fahren, ist derzeit nicht möglich.

Zugegeben, es war laut, zugig und bei Regen sind die Scheiben angelaufen, aber es war so, wie ich mir mein Hobby (nein, ich will nicht von „Sport“ sprechen) immer vorgestellt hatte.

Ein Bild, das draußen, Straße, Auto, Boden enthält.

Automatisch generierte Beschreibung

Foto: Joseph Schimmer

 

PS: Mit der Ginetta beschäftigen sich zahlreiche Folgen von „Hauptsache es rollt“.