Stillstand
ist Sünde
Habe gerade Ersatzteile bestellt.
Ersatzteile für Bremsen. Für Fahrradbremsen. Für die meisten meiner Autos habe
ich Reservebremsbeläge, bloß die meisten Fahrradbremsgummis sind schon so alt,
dass sie zwar gut quietschen können, ein bisschen verzögern, aber sie sind
völlig ausgetrocknet.
Also habe ich mich wider meine Vorlieben bei ebay bedient – das Fahrradgeschäft meiner Wahl hat schon
lange zugesperrt, seither steht das Souterrainlokal leer und schließlich waren
auch die Bremsgummis für mein 70er Jahre Rennrad, die ich da bekommen hatte,
auch nicht ganz historisch korrekt.
Historisch korrekt, das ist ja so ein Ding, bei berühmten
Fahrrädern dürfen ja nicht einmal die kaputten Reifen getauscht werden.
Fahr-Rad wird Steh- oder Hänge-Rad und dann fragt man sich, was ist denn
eigentlich der Sinn, auf den die Fahrradseele, die in den hoffentlich schön
geschweißten und gemufften doppelkonischen Stahlrohren auf das ewige Leben
wartet, von ihrem irdischen Dasein erhofft?
Aufpumpen
statt ablassen
Wohl nicht dekorativ in einer Ausstellung verharren. Das ist
wohl mindestens so schlimm wie das Fegefeuer für gläubige Katholiken. Da hilft
kein Ablass, eher ein Aufpumpen der Reifen. Und bewegt werden, mit kräftigen
Tritten. Ganz nach dem Motto „Stillstand ist Sünde“.
Wenn aber so dahingerollt wird, sollte man auch stehenbleiben
können – wenn ein Wiesel die Fahrbahn quert, eine Katze, ein Fuchs oder gar ein
unaufmerksamer Zweibeiner. Oder aber ein Autobenützender knapp die Türe
aufmacht und kaum Platz bleibt, um auszuweichen.
Deshalb also habe ich für alle Räder Bremsklötzchen bestellt,
klassischerweise bei einem Händler in Frankreich. Und für das Fahrrad, das ich
gerade restauriere noch dazu einen Kettenwerfer in Italien. Aus Frankreich habe
ich schon eine Bestellbestätigung erhalten…
Dachboden
oder Keller?
Das Fahrrad das ich restauriere? Ich habe es vor ziemlich
genau einem halben Jahrhundert von einem Freund geschenkt bekommen, der es –
war es eigentlich in einem Keller oder einem Dachboden? – eines Gasthauses
verlassen hatte. Ich glaube, er wollte das Haus aus beziehungstechnischen Gründen
nicht mehr betreten (weiß ich nicht genau). Ich holte jedenfalls das Rad ab und
machte aus meinem kaputten ersten „richtigen“ Fahrrad und diesem echten
italienischen Rennrad ein funktionierendes.
Der Rahmen war stark zerkratzt, ich lackierte mattschwarz
darüber und zerbreche mir ein halbes Jahrhundert danach den Kopf, wie ich
diesen Lack am besten entfernen könnte. Eisstrahlen? Nein, sagt mein Freund,
der eine diesbezügliche Firma betreibt. Abschleifen? Na ja. Eventuell,
höre ich, mit Abbeizmittel einstreichen und in einen Plastiksack geben, warten
und schauen was passiert.
Dabei habe ich allerdings Angst, dass auch Dinge runtergehen,
die eigentlich erhalten werden sollten. Stand der Überlegung im Augenblick:
vielleicht etwas schleifen und dann weitersehen, vielleicht löst sich ja der
Lack ohnedies.
Inzwischen habe ich schon Bilder von Rädern gefunden, die so
ausgesehen haben, wie meines im Originalzustand:
Ein hellblaues „Torpado“. Als es
dann schwarz war, habe ich viel damit trainiert. 10 Gänge waren genug, und als
ich mir ein neues Dusika leistete wurde Torpado oft verborgt. Und wie das halt so ist, es endete
vorderhand nicht in einem Keller oder Dachboden, sondern unter einem
überdachten Fahrradabstellplatz im Freien. Allerdings reichte das Dach nicht
über das Fahrrad. Der Sattel war bemoost, als ich es abholte
um es wieder in Pflege zu nehmen. Diesmal war das Fegefeuer feucht.
Inzwischen ist das Rad zerlegt, und ich habe wie gesagt
begonnen historisch passende Teile zu finden.
Die Seele, die in den Rohren wohnt, leidet am Stillstand. Und
hofft auf eine neuerliche Auferstehung.