rainer rosenberg

 

 

Hauptsache es rollt

 

 

Über den Teich

17.12.2018

 

Da steht er im Schnee. Der Anhänger. Mitten in Canada. Und ein Auto, eingepackt in durchsichtige Plastikfolie steht darauf.

Der Anfang dieser Geschichte heißt „bringatrailer.com“ – weil man Autos, die auf dieser Seite angepriesen werden, eher abholt als dass man einsteigt und nach Hause fährt. Weil sie so edel sind oder so rostig, weil sie nicht für den Straßenverkehr gemacht sind, und weil man damit nicht über den Ozean kommt. Oder all dies. In diesem Fall: nicht für den regulären Transport auf öffentlichen Straßen geeignet und auf dem Weg über den Atlantik. Deshalb sieht man den kleinen Anhänger auf dem Bild vor einem etwas größeren geschlossenen stehen, denn um über den Atlantik zu kommen, braucht man Schiff und Hafen und da muss man erst einmal hinkommen. Wenn es sein muss auch auf Schneefahrbahn.

S. hatte das Auto 18 Jahre lang hauptsächlich in der Garage stehen, dann hat er das Inserat auf „bringatrailer.com“ geschaltet, er hat Fotos in die Welt gesetzt auf denen man viele Details von „Alex“ sieht und ihn zur Versteigerung freigegeben. Nächstes Jahr wird er 50, sieht gut erhalten aus und seine Figur erinnert noch immer an seine Existenz als Sportler. Dass er nicht zum Personentransport gedacht ist, sieht man ihm an, er will nicht von A nach B kommen, sondern von A (Start) nach A (Ziel) und zwar möglichst schnell. Am schnellsten wäre er nach dem Hase/Igel Prinzip und würde er gleich am Start stehen bleiben, sich verstecken und knapp vor Ende des Bewerbes die Start/Linie überfahren – wenn es nur niemand merkt. Aber dafür sorgen gestrenge Funktionäre, elektronische Transponder und kritische Konkurrenten, dass das unmöglich wird: sich verstecken und dann wieder auftauchen. Sichtbar soll Alex seine Runden drehen. Eigentlich heißt er ja Alexis und irgendwie hat er etwas mit Fahrschule zu tun.

Lieber im Kreis

Ein ideales Auto für Anfänger von damals – weil die Schule den Namen Russel trug, gibt es auch eine Russel-Alexis Familie (nach Jim Russel Car Racing School), die anderen Verwandten haben keinen Doppelnamen, dafür den Beinamen Mark und dann wird je nach Jahrgang durchnummeriert, wie Päpste, Kaiser und die in meinem Lateinbuch beschriebenen Söhne der Familie. Quintus und sein Bruder Sixtus waren Protagonisten des experimentellen Lateinlehrbuches „Vita romana quotidiana“, man wollte damals -1966,67 - den großem Sprung von der Geschichte der Kaiser und Sagen in das antike Alltagsleben schaffen. Der Alexis auf dem Anhänger heißt Mark 15, war also das 15. Modell, das Alex Francis, Bill Harris und Allan Taylor auf die Reihe brachten. Peter Revson, David Hobbs und später James Hunt fuhren Alexis Formel Junior oder Formel Ford Wägen.

Die Begeisterung für Monopostos wie dem Alexis geht bei vielen auf Jugenderinnerungen zurück – für manche waren Autorennfahrer genauso Pop-Stars wie Rock-Sänger. Ob Jochen Rindt oder James Hunt, Jo Siffert oder Graham Hill. Und es gab zwei Ebenen, wo solche Autos eine besondere Rolle spielten – als Modell für die Autorennbahn im Kinderzimmer, da hatte ich einige Autos, die aussahen wie dieser Alexis, speziell der kleine BRM, mit dem Graham Hill 1962 Weltmeister wurde, und im Film „Grand Prix“ von John Frankenheimer, bei dem eine ganze Saison Formel 1 mitgedreht wurde (Spa im Regen, unglaublich) und wo Yves Montand, James Garner und Francoise Hardy tragende Rollen hatten. Und außerdem war das die Zeit des stürmischen Mai 1968 und Woodstock lief gerade drei Monate nachdem mein Mark 15 das erste Mal 1969 auf seinen Dunlop Reifen stand. Es war also die Zeit von Pop und Revolte, von Nouvelle Vogue und von Autorennfahrern, die wie Rebellen wirkten (das galt sogar für einen Film-Polizisten, wenn er nur von Steve McQueen gespielt wurde). Zum flott fahren mussten aber neben der Rennbahn im Zimmer, dem Fahrrad und Moped wenn überhaupt Kleinwagen reichen - ein Formel V oder ein Formel Ford? Rätselhaft wie irgendwer zu so etwas kommen konnte, auch wenn man solche Autos bei Flugplatzrennen in Aspern oder Langenlebarn bewundern konnte.

 

Fahrschule

50 Jahre danach allerdings wird Alex‘ ursprüngliche Aufgabe, jungen Männern den Einstieg in einen zweifelhaften Sport zu ermöglichen, historisierend idealisiert: nicht mehr rasen ist das Ziel sondern im Idealfall ein Wettbewerb älter gewordener Gentlemen. Dass zuletzt in der österreichischen Rennserie für historische Renn- und Sportwägen, dem Histo-Cup, auch kindhafte Jugendliche mitgefahren sind, verändert zwar ein wenig die Atmosphäre (Opa versus Enkel Rad an Rad hat doch etwas Seltsames) zeigt aber, dass historischer Motorsport offenbar kostengünstiger ist als der aktuelle. Dennoch werden Konfliktlinien deutlich - noch nicht wirklich historische Fahrzeuge sind billiger und schneller als klassische, der Vorsprung der auf langen Geraden erzielt wird, ist in den Kurven immer schwerer wettzumachen, auch wenn langgediente Enthusiasten am Lenkrad drehen.

Vielleicht macht sich ja doch die Erkenntnis breit, dass Geschwindigkeit relativ ist – nach dem Motto „je besser die Straßenlage, desto gefühlt langsamer das schnelle Auto“. Langzeit Rennfahrer C.. sagt: „der Spaß steigert sich nicht im selben Maß wie die Ausgaben“ (und überlegt das schnellere seiner beiden Autos zu verkaufen). Und für Alex und mich geht es jetzt einmal um kennen lernen. Das halbe Jahrhundert Auto-Geschichte nehme ich als Herausforderung. Aber davor muss einmal der Weg von Canada nach Österreich bewältigt werden. Über den großen Teich zum nächsten Hafen.

 

Schneeball

4.12.2018